Kunstwerke sollen auf die Straße

Kunstwerke sollen auf die Straße

Wochentaz: Ken Aïcha Sy, derzeit tourt die viel beachtete Ausstellung „When We See Us“ über 100 Jahre panafrikanische Malerei durch Europa. Exponate aus dem Senegal sind dort häufig in Besitz des Iwalewa­hauses in Bayreuth, das seit Langem Kunst aus dem Land sammelt. Sie suchten das Iwalewahaus auf, was haben Sie in seinen Depots gefunden?

Ken Aïcha Sy: Viel Wertvolles. Gemälde, aber auch Zeitungsartikel, Schriftstücke über Geldtransaktionen oder Transporte. Ich fand Negativfotos, die Kunstwerke und Veranstaltungen dokumentieren. Am spannendsten war es für mich, dort senegalesische Künst­le­r:in­nen überhaupt erst zu entdecken. Zum Beispiel Amadou Bâ. Er hat mir die Augen geöffnet, durch ihn habe ich die Ästhetik der Négritude verstanden.

Ihr Vater ist der bildende Künstler El Hadji Sy, eine wichtige Figur in der zeitgenössischen Kunst Senegals. Ein Großteil seines Archivs liegt im Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main, El Hadji Sy hatte eng mit dessen ehemaligem Kurator Friedrich Axt zusammengearbeitet. Wie war der Besuch dort?

In vieler Hinsicht brutal. Je tiefer ich in die Archive und Depots vordrang, umso mehr war ich vom riesigen Ausmaß der Sammlung schockiert. Ungeachtet der Frage, welches Museum das Recht hat, bestimmte Kunstwerke zu beherbergen, wurde mir dort klar, wie unglaublich es ist, dass so viel einzigartige Kunst in Bunkern eingeschlossen ist und niemand Zugang zu ihr hat.

Sind nicht die europäischen Museen dabei, die Aufgabe ihrer riesigen Depots neu zu überdenken?

Es gibt Überlegungen, Kunstwerke aus ihrer Isolation und von den Vitrinen an den Wänden zu holen. Clémentine Deliss etwa mit ihrem Konzept des „Metabolischen Museums“. Deliss will die Sammlungen wieder zum Leben erwecken, sie zeigen, sie befragen und mit ihnen arbeiten. Als Direktorin des Weltkulturen Museums in Frankfurt lud sie Künst­le­r:in­nen ein, sich mit den meist in schwarzen Kisten gelagerten Kunstgegenständen auseinanderzusetzen. Das war zunächst ungewohnt, die Sammlungsobjekte zu berühren, zu fühlen und zu bearbeiten, aber es eröffnete die Möglichkeit, über ihre übliche, museale Verwendung hinauszugehen.

Voici le lien pour plus d’information  :Nach der Restitutionsdebatte: „Kunstwerke sollen auf die Straße“ – taz.de